Dienstag, 19. März 2024

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Tumorzellen mit Hitze unschädlich machen

 

Hyperthermie: Hoffnungen und Wildwuchs

Eine neue Form der Krebsbehandlung weckt viele Hoffnungen. Fachleute fürchten jedoch den entstehenden Wildwuchs weil zunehmend Behandlungen mit fraglicher Qualität angeboten werden.

Eine Erwärmung auf 40 bis 43 Grad Celsius kann bösartige Tumorzellen abtöten. Dies ist seit langem bekannt, doch erst seit wenigen Jahren ist es möglich - mit teilweise hohem technischen Aufwand - Tumoren zu erwärmen, ohne das umgebende Gewebe zu schädigen. Die Hyperthermie (zu Deutsch "Überwärmung") wird derzeit an 14 Kliniken in Deutschland praktiziert. Einige Experten, wie Professor Peter Wust von der Berliner Charité, setzen große Hoffnungen in die Behandlung. Sie sei in der Lage einige "weiße" Flecken in der Krebsbehandlung zu füllen.

Tatsächlich wird die Behandlung bei einer Reihe von fortgeschrittenen Tumoren erprobt, bei denen andere Therapien wirkungslos bleiben. Die besten Ergebnisse würden derzeit in Kombination mit der Bestrahlung (Radiotherapie) erzielt. Deren Wirkung wird laut Wust durch die Erwärmung um etwa 50 Prozent verstärkt. Wust hebt vor allem die Ergebnisse einer niederländischen Studie zum fortgeschrittenen Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) hervor. Durch die Hyperthermie konnte hier die Zahl der Frauen, die nach 3 Jahren noch am Leben waren, von 27 auf 51 Prozent gesteigert werden. "In den Niederlanden ist die hypertherme Radiothermie bei dieser Erkrankung als Standard anerkannt".

Wust gesteht aber ein, dass neuerdings mit der Kombination aus Chemotherapie und Radiotherapie noch bessere Ergebnisse erzielt worden seien. Dennoch: Die Erwartungen in die Wirkung der Hyperthermie sind hoch. In Berlin läuft derzeit eine Studie zur Hyperthermie in Kombination mit einer Bestrahlung beim Enddarmkrebs (Rektumkarzinom). Eine Zwischenauswertung zeige ein deutlich besseres Ansprechen als die alleinige Bestrahlung, so Wust.

In München wird die Kombination aus Hyperthermie und Chemotherapie erprobt. Bei Hochrisiko-Weichteilsarkomen würden "sehr ermutigende" Langzeitergebnisse erzielt. Die Hälfte der Patienten sei noch nach 5 Jahren am Leben. Die Behandlung wird aber auch bei einer Reihe anderer Tumoren erprobt. Immer handelt es sich um fortgeschrittene Tumore und meistens wird die Behandlung mit einer Strahlen- oder Chemotherapie kombiniert.

Die Behandlung wird mit hochmodernen Geräten durchgeführt. Teilweise sind die Geräte mit einem Kernspintomographen gekoppelt. So lässt sich in einem Schritt die Lage des Tumors genau bestimmen und dann die Therapie durchführen.

Auch Professor Wolfgang Hiddemann vom Klinikum Großhadern in München, attestiert der Hyperthermie in Deutschland einen "im Vergleich zu anderen europäischen Ländern relativ hohen Standard". Diese Spitzenstellung sei jedoch gefährdet. Denn angeregt durch die guten Ergebnisse würde die Behandlung auch zunehmend außerhalb der Zentren angeboten, häufig ungeprüft. Hiddemann spricht von einem "Wildwuchs" und sieht den hohen Qualitätsstandard gefährdet. Das Vertrauen der Patienten, aber auch die Offenheit der Ärzte gegenüber diesem Verfahren werde hier missbraucht. Hiddemann: "Diese paramedizinische Anwendung gefährdet die Hyperthermie als Ganzes".

Quelle: Deutsche Medizinische Wochenschrift 2003; 128 (39)


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