Dienstag, 16. April 2024

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In den meisten Bundesländern kommt die Umsetzung des Programmes nur schleppend voran

 

Der Früherkennung endlich Beine machen

In Deutschland haben etwa zehn Millionen Frauen - alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren - seit Beginn dieses Jahres Anspruch auf ein Mammographie-Screening. Doch für die meisten besteht dieser Anspruch bislang nur auf dem Papier: Die Umsetzung der politischen Vorgabe kommt in fast allen Bundesländern nur schleppend voran.

Offiziell wurde das Mammographie-Screening, die Reihen-Röntgenuntersuchung der Brust, als Programm zur Früherkennung von Brustkrebs am 1. Januar 2004 in Deutschland eingeführt. Jede Frau zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr hat seitdem Anspruch darauf, alle zwei Jahre zu einer Untersuchung eingeladen zu werden. Das Ziel: Brustkrebs soll frühzeitig entdeckt werden, dann, wenn noch keine Anzeichen für diese Erkrankung vorliegen, etwa ein tastbarer Knoten. Für die Umsetzung dieses Programms haben die Gesundheitsministerien der einzelnen Bundesländer die Rechtsaufsicht. Die eigentliche Umsetzung liegt bei der so genannten Selbstverwaltung, bestehend aus den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen des Bundeslandes. Bis Ende 2005 soll das Screening flächendeckend angeboten werden.

Umfrage belegt Defizite.

Die erste Auswertung einer derzeit laufenden Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bei den zuständigen Landesministerien belegt: In den meisten Bundesländern kommt die Umsetzung des Programmes nur schleppend voran. Zwar haben sich die Zuständigen eine schnelle Umsetzung auf die Fahnen geschrieben, doch die Vorhaben hängen in einem Gestrüpp aus bürokratischem Zuständigkeitsgerangel und mangelnder Kooperationsbereit-schaft zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassen fest.

Darüber hinaus hapert es in einigen Bundesländern auch noch mit der Etablierung der Krebsregister, die für die Erfolgskontrolle des Sceenings unerlässlich sind. Experten zufolge gibt es daher nur für zwei Prozent der Frauen, die einen Anspruch haben, tatsächlich ein Angebot. Mit Ausnahme von drei bereits bestehenden Modellregionen (Bremen, Weser-Ems und Wiesbaden) und Bayern, wo die Staatsregierung eigene Anstrengungen in der Brustkrebsfrüherkennung unternommen hat und zumindest die AOK und weitere Kassen ihren Versicherten die Früherkennung anbieten, hat bislang noch keine Frau in Deutschland eine Einladung zum Screening erhalten.

"Es entwickelt sich für Millionen von Frauen eine Versorgungslücke", kritisiert Professor Ingrid Schreer, Radiologin an der Frauenklinik der Universität von Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Denn unter den Expertinnen und Experten besteht kein Zweifel daran, dass die flächendeckende Einführung des Programms bis Ende 2005 kaum möglich sein wird, sondern Jahre in Anspruch nehmen wird.

Zwar kann der behandelnde Arzt nach wie vor bei einem entsprechenden Verdacht eine Röntgenuntersuchung der Brust, Kurative Mammographie genannt, verordnen. Doch wenn Frauen eine Mammographie als reine Früherkennungsmaßnahme vornehmen lassen wollen, wie im Screening üblich, ist dies außerhalb von Screening-Einheiten nicht möglich. Das so genannte "Graue" Screening, also eine Mammographie aus reinen Früherkennungsgründen ohne Beschwerden der Frau, das in früheren Jahren praktiziert wurde, entbehrt der gesetzlichen Grundlage.

Auf der Suche nach praktikablen Lösungen.

Not tut darum eine praktikable Lösung, um die Versorgungslücke zu schließen. Dabei könnte nach Meinung der Experten auf regional vorhandene Strukturen zurück gegriffen werden. So belegt beispielsweise die Zwischenbilanz eines Modellprogramms "Qualitätsgesicherte Mamma-Diagnostik" in Schleswig-Holstein, das im Jahr 2001 in einigen Landkreisen des Flächenlandes gestartet wurde, dass sich ein qualitätsgesichertes Früherkennungsprogramm entsprechend der EU-Leitlinien in die bestehenden Versorgungsstrukturen einbauen lässt.

Bei diesem Programm handelt es sich nicht um ein Screening-Programm, sondern der behandelnde Arzt stellt nach Anamnese und Untersuchung die Indikation für eine Mammographie und gegebenenfalls weitere Untersuchungen, etwa per Ultraschall. Da im Gegensatz zum Screening bei diesem Programm keine Altersbegrenzung nach unten und oben besteht und die Untersuchung nicht nur auf eine Methode beschränkt ist, konnte der Anteil der früh entdeckten Karzinome in diesem Modellprogramm binnen zweieinhalb Jahren um 20 Prozent gesteigert werden, während der Anteil der fortgeschrittenen Karzinome in diesem Zeitraum um den gleichen Prozentsatz sank. "Die hohe Akzeptanz bei Frauen und Ärzten und vor allem die guten Ergebnisse belegen", so Schreer, "dass sich eine qualitätsgesicherte Früherkennung mit den bestehenden Strukturen binnen kurzer Zeit zum Nutzen der Frauen realisieren lässt.

Darum fordern die Experten der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe eine entsprechende Rechtsgrundlage, die derartige qualitätsgesicherten Programme auch in anderen Bundesländern ermöglicht. Wichtig ist, so Schreer, "auch die innovative Weiterentwicklung von Früherkennungsstrategien, bei denen die neuen wissenschaftlich abgesicherten Leitlinien der Fachgesellschaften für die Früherkennung und Behandlung des Mammakarzinoms berücksichtigt werden."

Früherkennung auch für die andere Hälfte der Frauen.

Ebenso fordern die Experten, dass das Einladungssystem des Mammographie-Screenings korrigiert wird. Der Selbstbestimmung der Frau müsse Rechnung getragen werden. Frauen müssten von sich aus aktiv werden und eine Früherkennungsmaßnahme wahrnehmen können. "Sie sollten nicht davon abhängig sein, ob die Melderegister funktionieren und ihre Krankenkasse an dem Programm beteiligt ist", kritisiert Schreer. Und vor allen Dingen sollte es keine Altersbegrenzung geben: "Schließlich treten die Hälfte aller Brustkrebse bei Frauen auf, die unter 50 und über 69 Jahren alt sind."

WANC 09.04/idw


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